Oh ja genau das war bei mir immer so. Mein autistischer Sohn mit ADHS, hat mir nie zugehört. In der Regel liefen Konversationen meist nach dem gleichen oder ähnlichen Muster ab, in etwa so:
Ich in normalem Tonfall/Lautstärke «Matteo, ziehe bitte Deine Schuhe aus.» Kind hört nicht, die Schuhe sind weiterhin an den Füssen.
Ich schon etwas bestimmter aber immer noch nett «Matteeeeooo, ziehst Du jetzt bitte deine Schuhe aus.» Kind hört nicht, die Schuhe sind weiterhin an den Füssen.
Befehlston, meine gesamte Hilflosigkeit offenbarend «Matteeeooo, zieh jetzt Deine Schuhe aus, ich habe gerade geputzt. Jetzt sag ich es schon zum dritten Mal.» Kind hört immer noch nicht.
«Zieh jetzt Deine Schuhe aus!» Ich brülle inzwischen, Matteo hört mich nun und wenn ich viel Glück habe, zieht er auch widerwillig die Schuhe aus (und schmeisst sie irgendwohin, womit die gesamte Ladung Sand auch hinausfällt, welche gleich Anstoss zu weiterem Gezeter, Wut und Frustration meinerseits gibt).
Danach bin ich energetisch wieder mal erschöpft. Und setze dann noch völlig frustriert hinterher (weil mir klar ist, dass das wieder mal kein guter Erziehungsansatz war): «Du hörst mir immer erst zu, wenn ich schreie. Es nervt mich wirklich.» Und gebe dann also auch gleich noch die Schuld für meinen ganzen Ärger meinem Kind. Die Beziehung zu meinem Kind leidet dadurch und auf Dauer sinkt jegliche freiwillige Kooperation (in diesem Fall des Schuhe Ausziehens) sowieso. Darüber hinaus redete ich mir lange ein, dass ich ja nun 3 mal «höflich» gebittet hatte, aber auch das war eine grosse «Fehlannahme» meinerseits. Denn bitten sieht anders aus, auch wenn wir das Wort «Bitte» benutzen.

Kennst Du diese Situationen auch? Und Sie kommen immer wieder, in unterschiedlichen Formen? Wenn ja, dann gibt es hier die gute Nachricht. Man kann dieses Verhaltensmuster wieder ändern. Aber das braucht ein bisschen Zeit und Arbeit an dir und der Beziehung zu dir selbst. Damit meine ich aber nicht, dass du dich jetzt selbst für deine Schreierei und Wut kritisieren sollst, denn das wird dir nicht helfen mit dem Schreien aufzuhören. Du wirst dich einfach noch schlechter in Zukunft damit fühlen. Um ehrlich zu sein ist der Prozess wirklich anstrengend, aber die Belohnung dafür ist einfach unbezahlbar. Der Schlüssel dazu heisst sich selbst mehr Unterstützung und Hilfe zu geben, so dass die Chance dass du das nächste Mal wieder «austickst» weniger wird.
Hier gebe ich dir die 4 grössten Weisheiten und Schritte mit, wenn du in Zukunft weniger brüllen willst:
- Wenn du selbst brüllst, dann bist du bereits selbst in einem Nervensystemzustand, der sich «Kampf» nennt. Die Regulierung deines Nervensystemzustand hat also erste Priorität. Der Atem bringt uns am schnellsten zurück in die Regulierung. Allerdings ist es für viele nicht einfach (vor allem am Anfang) diese Atempause auch zu machen. Studien zeigen immer wieder, dass Kinder umso kooperativer sind, desto besser reguliert die Eltern sind. Wer damit Schwierigkeiten hat, sollte also versuchen erst mal wieder seine eigenen Akkus aufzuladen. Selbstfürsorge ist hierzu der Schlüssel. Dazu gibt es demnächst mal einen eigenen Artikel oder aber melde dich für meine 7 tägige «Sei gut zu dir» challenge an!
- Die meisten von uns machen den Fehler, dass Sie das Verhalten ihrer Kinder regulieren wollen. Aber Verhalten anderer lässt sich nicht regulieren und kontrollieren. Nur dein eigenes. Dafür sind deine Gegenüber aber wahre Spiegel deiner Selbst. Frage dich also, was das Verhalten deiner Kinder dir gerade sagen will. Jedes Verhalten ist Kommunikation. Zugegeben manchmal würde ich mir wünschen, es wäre einfacher herauszufinden, was es ist, aber ich habe eines gelernt. Je mehr ich diesen Muskel des «ACHTSAMKEIT» benutze, umso einfacher gelingt es mir an den wahren Kern der Ursache zu gelangen. Bedürfnisbefriedigung von meinem Kind und von mir sind dazu ein wichtiger Schlüssel. Aber um die Bedürfnisse anderer zu erkennen, musst du bereit sein, dich in den anderen hineinversetzen zu wollen und dann auch mit der entsprechenden Empathie darauf zu reagieren.
- Du weisst gar nicht, wie ein gesunder Umgang mit deinen eigenen Emotionen aussieht. Denn wir haben es selbst nicht vorgezeigt bekommen und leider ist dies auch kein Fach in der Schule. Unsere eigene Fähigkeit unsere Emotionen wahrzunehmen und zu fühlen, anstatt zu verdrängen ist ein immenser Schritt in Richtung eigener emotionaler Regulierung. Erinnere dich: What you resist, persist – and grows stronger. Was du selbst nicht kannst, können deine Kinder im Übrigen auch nicht von dir lernen.
- Halte deine Erwartungen in Schach. Je nach Alter und Gehirnentwicklung deines Kindes, kann es viele Dinge einfach gar nicht so ausführen, wie wir das gerne hätten. Ausserdem sind sie Kinder, Grenzen auszutesten gehört zu ihrem Lernprozess, es wäre also fatal, wenn dein Kind dich nicht herausfordern würde, deine Grenzen zu testen. Deine Grenzen zu halten ohne dabei selbst «durchzustarten» ist dabei die Kunst und dein Job als Erwachsener
Die Tatsache, dass dein Kind tatsächlich oft erst zuhört, wenn du es anbrüllst ist auch erklärbar. Zum einen ist die Wahrscheinlichkeit, dass es sich selbst in einem unregulierten Nervensystemzustand befindet gross. Je nachdem hört es dich daher tatsächlich erst, wenn du brüllst. Zum anderen hat es sich darauf eingestellt, dass dein Kind erst hören muss, wenn du brüllst. Es bittet dich also förmlich darum dich zu regulieren und wieder in Beziehung zu ihm treten. Denn dann kann auch dein Kind lernen sich selbst zu regulieren.
Das grösste Geschenk, dass wir unseren Kindern machen können, ist also tatsächlich an uns selbst zu arbeiten, unsere Werkzeugkiste zu vergrössern und uns selbst zu entstressen. Das heisst im Übrigen nicht, wie viele glauben, dass wir immer ruhig, ausgeglichen und sogar fröhlich sein müssen. Wir dürfen alle Emotionen fühlen und ausleben. Aber den richtigen Umgang mit unseren eigenen Emotionen zu finden, wird uns ganz sicher eine Win-win Situation bringen. Mehr Freiheit, Lebensfreude und Gesundheit für uns selbst und besser regulierte und gesunde Kinder, die auch wieder freiwillig anfangen zu kooperieren.
Wenn du wissen willst, wie all das für dich möglich wird, dann lege ich dir mein Kurs «1×1 im Umgang mit neurodiversen Kindern» ans Herz. Dort begleite ich dich, um an all diesen Themen zu arbeiten. Stück für Stück – Schritt für Schritt. Wer mehr oder andere Hilfe möchte, der darf sich gerne bei melden. Wir finden einen Weg, auch für dich. Wenn ich das kann, schaffst du das auch.
Alles Liebe,
Carmen