Charakterstarke Kinder oder auf englisch auch «strong-willed» genannt, sind eine Mammutaufgabe für Eltern. Denn wie das Wort strong willed schon aussagt, haben diese Kinder meist einen starken Willen, ja können Stur wie ein Esel sein und sind oft schneller frustriert, wenn Dinge dann nicht so laufen, wie von dem Kind gewünscht oder gedacht.
Wenn dieses Verhalten viele Jahre anhält, sind viele Eltern oft am verzweifeln. Die Frage die sich viele insgeheim stellen oder vielleicht sogar vom Arzt auch angesprochen wird, ist, braucht es eine Diagnose, ist da noch etwas anderes für die «Charaktereigenschaftenn» verantwortlich oder bin ich sogar Schuld an dem ganzen?
Diese Frage will ich im heutigen Blog mal beleuchten. Vielleicht hilft er dir, dein Bewusstsein zu schärfen.
Was sind denn typische Verhaltensmerkmale von diesen Kindern?
- Sind schwierig anzuleiten, da sie Dinge gerne selber ausprobieren
- Testen und reizen Grenzen oft aus
- Sind oft sehr mutig
- Lieben es selbstermächtigt zu arbeiten (Autonomie und Freiheit)
- Sie lassen sich oft nichts sagen
- Sind sehr leidenschaftlich
- Haben oft grosse Emotionen
- Sind oft wenig flexibel, «my way or no way»
Wie man sieht, sind viele dieser Eigenschaften sowohl positiv als auch negativ zu betrachten. Wer es schafft mit der nötigen Sensibilität und Achtsamkeit diese Kinder zu erziehen, der kann sicher mal mit viel Stolz auf diese Kinder blicken. Denn nicht nur wächst man als Eltern immens selbst an diesen Kindern, diese Kinder sind meiner Meinung nach auch die geborenen Leader oder Führungspersönlichkeiten.
Warum wird man oft gefragt, ob dieses Kind eine Diagnose hat?
Weil unsere Gesellschaft, aber auch unser medizinisches System neurologische Diagnosen weitestgehend anhand von Verhaltensauffälligkeiten stellt. Viele der oberen Punkten sind in unserer Gesellschaft aber eher negativ behaftet und fallen häufig in eben diese Kategorie.
Bei Eltern erlebe ich immer wieder folgende Gedankengänge, die mit einem charakterstarken Kind gesegnet ist:
- Man hat Angst vor einer Diagnose, da man kein «behindertes» Kind will, aber auch keine Medikamente verabreichen will und versperrt sich deshalb davor jegliche Hilfe anzunehmen.
- Man redet sich Verhalten schön oder generalisiert. «Es ist ja gar nicht so schlimm.» «Viele Jungs fallen in die Kategorie.»
- Man weiss nicht, wie man den Kindern helfen kann und bleibt daher jeden Tag in seiner Überforderung allein.
- Eltern verlassen sich auf unsere kulturelle Prägung «strenger zu werden» (siehe Blogartikel).
- Eltern wissen nicht, welche körperlichen Symptome ein Indiz für «noch etwas anderes» sind.

Alle der genannten Punkte bringen Eltern nicht nur nicht weiter, nein, meist verschlimmert sich die Lage zu Hause mit der Zeit. Warum?
- Weil diese Kinder nicht nur «schwierig» sind. Erinnere dich: jegliches Verhalten ist eine Form von Kommunikation. Nur die wenigsten Eltern verstehen das und so brechen wir allzu oft den Willen des Kindes mit mehr Strenge oder autoritärer Macht. Wir verlangen Gehorsam, ohne uns den Konsequenzen darüber bewusst zu sein. Unwissentlich verschlimmern wir die Lage (Artikel Schuld). Natürlich hätten die meisten von uns gehorsame Kinder. Aber im Idealfall sind dies doch Kinder die freiwillig kooperieren, weil sie uns Eltern vertrauen und auch den Unterschied erkennen, wem sie vertrauen können und wem nicht.
- Wenn es wirklich körperliche Ursachen hat, dann ist es gut daran zu arbeiten, je früher desto besser. Unsere eigene Angst aber auch Unwissenheit zu überwinden, ist dazu Grundvoraussetzung.
- Wer sein Kind als schwierig oder behindert abstempelt verliert irgendwann die Motivation, Energie und Hoffnung Dinge anders zu machen und Besserung/ Linderung zu suchen. Dein Kind merkt das. Die Bindung/ Beziehung leidet auf Dauer.
- Der Selbstwert deines Kindes leidet.
Was kann ich als Eltern eines charakterstarken Kindes also tun?
- Wandle die schwierigen Eigenschaften in positive um (wie oben)
- Jedes Verhalten ist Kommunikation. Frage dich: Welches Bedürfnis hat dein Kind gerade.
- Lerne neue Elternwerkzeuge, und arbeite daran alte Glaubenssätze übers Eltern sein abzulegen
- Oftmals sind aber auch körperliche Stressoren dafür zuständig, dass diese charaktereigenschaften so stark sind.
- Verzichte immer auf Bestrafungen, führe stattdessen durch deine Beziehung, die du zu deinem Kind hast
- Werde zum Leader, kreiere win-win Situation, in dem deine und die Bedürfnisse deines Kindes erfüllt werden
- Hole Hilfe. Dein Leben als Mama oder Papa muss nicht so schwer sein, du musst nicht «durchbeissen» bis dein Kind gross genug ist. Damit tust du weder dir noch deinem Kind einen gefallen.
Was für körperliche Symptome können in Verbindung stehen?
- Extrem sensitiv auf Geräusche, Licht, Gerüche, Materialien/Kleidung etc.
- Schläft nicht durch oder schlecht ein, oder nur in deinem Bett
- Bettnässen, nicht sauber und das schon seit langer Zeit
- Verzögerte oder keine Sprachentwicklung
- Verdauungsprobleme (Durchfall, Verstopfung, Bauchweh, Blähbauch, Fürze)
- Essstörungen, Picky Eating
- Starker Bewegungsdrang, Hyperaktivität
- Fein- oder Grobmotorische Schwäche (unleserliche Schrift, Probleme beim Stift halten etc)
- Laufen auf Zehenspitzen
- Ist immer krank (viele Infektionskrankheiten) oder gar nie krank
- Ständig müde, energielos
- Hoher Puls, ständig schwitzige Hände
- Übermäßiges Schwitzen
- Ekzeme, trockene Haut, Neurodermitis und Co.
Egal was dir dein Arzt bislang gesagt hat, wenn einige der körperlichen Symptome auf dein Kind zutreffen. Fange an, auf die folgenden 5 Dinge, zu achten:
- Ausreichend, vollwertige Nahrung (Link Artikel Darm)
- Ausreichend, sauberes Wasser
- Erholsamer, ausreichender Schlaf
- Bewegung und Spiel
- Dem Bedürfnis nach Beziehung und Sinnerfüllung gerecht werden
Leider habe ich bis jetzt wenige Ärzte getroffen, die Verhaltensauffälligkeiten oder sehr ausgeprägte Charaktereigenschaften mit körperlichen Symptomen in Verbindung bringen. Aber wenn aus dieser Liste mehr als ein oder zwei auf dein Kind zutreffen, würde ich mir überlegen, ganzheitliche Hilfe zu suchen.
Letzten Endes ist es egal ob du ein Kind mit Diagnose, ohne Diagnose oder ein charakterstarkes Kind hast. Dein eigenes Level an Überforderung, Mut, Wissen aber auch Kraftreserven mit der Familiensituation gut zurecht zu kommen sollte letzten Endes den Ausschlag geben, dir Hilfe zu holen oder nicht.
Warte aber bitte nicht damit, so wie ich, bis alle deine Kraftreserven aufgebraucht sind.
Alles Liebe,
Carmen