Ich bin immer pünktlich. Mein Haushalt ist immer top. Wir ernähren uns bewusst, ich koche selbst. Ich treibe Sport. Ich bin mega glücklich. Ich habe einen wahnsinns Job und eine harmonische Familie.
Finde den Fehler
Ja ich bin nämlich Perfektionistin und mein Anspruch war früher genau dieser. Ich liebe Pünktlichkeit, Sauberkeit, Erfolg und bin immer organisiert, Wertschätzung von aussen war essentiell. Mein Hirn läuft dadurch immer auf Hochtouren. Dass das ganze einen Preis (und zwar in mehrfacher Hinsicht) hat, war mir lange nicht bewusst. Bis zu dem Zeitpunkt, wo mein Nervensystem, mein Körper und meine Kinder gleich mit streikten.
Mit den beginnenden Ausrastern meines Sohnes, war ich dann so überfordert und so hilflos. Dass ich anfing mich dagegen zu stemmen. Also zu kontrollieren. Je mehr ich kontrollierte, desto mehr Verhaltensauffälligkeiten hatten wir (nur war mir der Zusammenhang früher nie bewusst).
Der tägliche Kampf
Ich hatte also einen täglichen Kampf zwischen eigenen hohen Erwartungen und Bedürfnissen, langen To-Do Listen, immer weniger Zeit und sich häufende Ausraster auf allen Seiten. Dieser Stress war spürbar für alle, für mich und meine Kinder. Denn je mehr ich mich und meine Kinder antrieb, meinen mir ureigen auferlegten Tagesplan zu erreichen, desto mehr kontrollierte ich und desto mehr verfing ich mich wieder in meinem selbstgemachten Teufelskreis.
Als ich Autismus und seine Zusammenhänge besser verstand und damit auch entdeckte wie ich meinen Job als Mama besser machen konnte, desto mehr merkte ich, dass ich es trotzdem nicht hinbekomme. Am Anfang gar nicht und heute auch noch nicht immer. Das nagte lange Zeit sehr an mir. Warum? Weil ich von Hause aus ja immer noch Perfektionistin war. Mein Anspruch an mich selbst war oft so enorm, dass ich mir wieder zu viel Druck auferlegt hatte und daher wieder nicht zum Ziel gelang. Dieses Mal packte ich also gleich noch mehr Scham und Schuld obendrauf. Denn zu sehen, dass man seinen wichtigsten Job geradezu «gefühlt» vermasselt, war starker Tobak, mit dem ich erst mal fertig werden musste.
Denn sind wir ehrlich:
- Wem ist noch nie der Kragen geplatzt?
- Wer hat sein Kind noch nie «zur Sau» gemacht nur um die eigenen Bedürfnisse zu befriedigen (nach Ordnung, Pünktlichkeit etc)?
- Wer hat seine Ausraster danach bereut und schwört sich, dass das nie mehr passiert, aber es doch nicht abstellen kann?
Solltest du nicht mindestens eine Frage mit Ja beantworten können, dann hast du wahrscheinlich keine Kinder…
Wenn du also den hohen Eigenanspruch hast, dass du das obige schaffst, dann würde ich dir mit diesem Artikel gerne den eigenen Druck rausnehmen oder zumindest vor Augen führen.

Hier sind 5 gute Gedanken dazu:
- Kinder brauchen uns nicht perfekt! Stell dir vor du lebst Ihnen den ganzen Tag deinen eigenen Perfektionismus vor, wie sie sich dann selbst fühlen. Genau, nämlich «Unperfekt» und der Selbstwert dieser Kinder sinkt. Indem es deine eigene Imperfektion sieht, kann es sehen, dass es auch okay ist, wenn man nicht perfekt ist. Beziehungsweise, dass sie so okay sind, wie sie sind.
- Indem du deinem Kind zeigst, wie du mit deiner eigenen Imperfektion umgehst, wird es mehr fürs Leben lernen als du dir vorstellen kannst und dadurch selbst resilienter werden.
- Unsere Leistungskultur von «höher, weiter, schneller» und die entsprechende Werbung sowie unsere eigene Konditionierung trägt ausserdem dazu bei, dass wir diese Erwartungen auch nie hinterfragen. (Finde hier den Artikel zur Leistungskultur)
- Viele Eltern neurodiverser Kinder sind selbst in Nervensystemzuständen von Kampf, Flucht oder Schockstarre gefangen, die es Ihnen verunmöglichen ruhig und gelassen zu reagieren. Indem du an dir selbst und deinem Nervensystem arbeitest und wieder in deine eigene Ruhe kommst, wirst du dir und deinem Kind daher am meisten helfen. Vor allem den unliebsamen Teufelskreis zu durchbrechen.
- Versuche Dir weniger aufzuladen und zu überprüfen, wo du Erwartungen an dich selbst oder andere hast, die zu hoch sind und es vielleicht auch mit weniger Einsatz gut genug sein kann. Denn alleine dein Versuch es zu schaffen, wird dich sehr viel Energie kosten, die dir für anderes fehlt. Perfektionismus ist immer ein Energieräuber! Im übrigen habe ich auch in diesem ganzen Prozess gemerkt, dass ich gar keine Ahnung hatte, welche Erwartung an mein Kind denn überhaupt realistisch ist.
Was hilft sonst noch?
Mit diesen Gedanken und viel Arbeit an meinem eigenen Nervensystem geht es mir heute schon viel besser. Ich arbeite am Loslassen meines eigenen Perfektionismus, Stück für Stück, in dem ich mich wieder Wertschätze, statt sie immer im Aussen zu Suchen. In dem ich mir meine Fehler verzeihe und noch so manch anderes. Nicht immer einfach, aber eine wunderschöne Reise, die mir in vielerlei Hinsicht «Mehrwert» bietet. Nicht nur mit meinen Kindern. Ein MEHR an Gesundheit, Energie, Zeit, Geduld und Ruhe.
Wenn du auch in die Kategorie der Perfektionistin fällst, dann kann ich dir wirklich nur raten, bei dir selbst hinzuschauen. Wer seinen eigenen Selbstanspruch herunterschrauben kann, geht leichter und gelassener durchs Leben und hat garantiert dadurch auch weniger Stress. Weniger Stress heisst immer auch mehr Gesundheit und mehr Kapazität in den wichtigen Situationen besser zu reagieren.
Eine gute Basis zur eigenen Selbstregulierung sowie mehr zur Entwicklung deines Kindes lernst du in meinem Onlinekurs 1×1 im Umgang mit neurodiversen Kindern. Wenn du «All-In» gehen willst, dann melde dich für ein Gespräch, wir können sehr gerne ergründen was es bei dir braucht, für ein erholsameres Familienleben und gleichzeitig Entwicklung bei deinem Kind. In der Regel ist es nämlich nicht nur das «Eine».
Alles Liebe,
Carmen